TV-Tipp: "Männer und Feminismus. Geht das?"

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8. Mai, Arte, 22.05 Uhr
TV-Tipp: "Männer und Feminismus. Geht das?"
Die Titelfrage dieser facettenreichen NDR-Dokumentation für Arte, "Männer und Feminismus: Geht das?", ist rhetorisch gemeint: Sie dürfen nicht nur, sie sollen sogar.

Der Beginn der deutschen Frauenbewegung liegt fast exakt 175 Jahre zurück: Im Rahmen der Deutschen Revolution 1848/49 wurde unter anderem ein Wahlrecht für Frauen gefordert. 1849 veröffentliche Louise Otto-Peters, Schriftstellerin, Sozialkritikerin, Frauenrechtlerin und Mitbegründerin der deutschen Frauenbewegung, die erste Ausgabe ihrer "Frauen-Zeitung – Ein Organ für die höheren weiblichen Interessen". Gut 17 Jahrzehnte später lässt sich konstatieren: Gleichberechtigung steht zwar im Gesetz, lässt sich jedoch nur erreichen, wenn die Männer mitmachen.

Steven Galling stellt in seinem gut fünfzigminütigen Film drei Deutsche und einen Franzosen vor, die ein anderes Leben führen als die meisten ihrer Zeitgenossen. Besonders interessant ist die Geschichte des Tänzers und Choreografen Bolewa Sabourin. Als der Pariser in die kongolesische Heimat seiner Eltern reiste und dort von den Gewalterfahrungen der einheimische Frauen hörte, schämte er sich, ein Mann zu sein, und gründete eine Organisation, die Tanztherapie und Veranstaltungen zu sexualisierter Gewalt anbietet. Als Vater übernimmt er den größeren Teil von Kindererziehung und Haushalt. Bolewa und seine Frau arbeiten beide für die Initiative, er jedoch ehrenamtlich; sie verdient das Geld.

Bei den drei bewegten Männern aus Deutschland geht es weniger um familiäre Entwürfe, sondern um grundsätzlich Haltungen: Komödiant Moritz Neumeier bringt das Thema Feminismus und Gleichberechtigung regelmäßig in seinen Bühnenprogrammen zur Sprache. Der als Sohn türkischer Eltern und mit klaren Rollenbildern aufgewachsene Hamburger Fikri Anıl Altıntaş ist Botschafter der UN-Kampagne "HeForShe". Die dritte Ebene macht einen Ausflug in die Wirtschaft: Der Berliner Start-up-Unternehmer Philip Siefer hat in seiner Firma alle Hierarchien abgebaut, die Angestellten (mehr Frauen als Männer) treffen wichtige Entscheidungen im Kollektiv. 

Für den theoretischen Unterbau sorgt Carolin Wiedemann. Die Soziologin lehrt an verschiedenen Hochschulen und erklärt erst mal, welche Ziele der Feminismus verfolgt: Alle Menschen sollen gleichermaßen frei sein und ein selbst bestimmtes Leben führen können. Das schließt selbstredend gleiche Bezahlung für gleiche berufliche Tätigkeit ein. Ein siebzig Jahre alter Werbespot für Pudding von Dr. Oetker demonstriert das tradierte Rollenbild, indem er Frauen unterstellt, es gebe nur zwei Fragen, die sie wirklich bewegten: "Was soll ich anziehen? Was soll ich kochen?". Dass gewisse politische Strömungen im Land dieses verstaubte Weltbild – Männer gelten als Denker und Macher, Frauen sind fürsorglich veranlagt – nach wie vor vertreten, erwähnt Autor Galling nicht. Dafür verweist er auf eine Statistik: Achtzig Prozent der Menschen in Deutschland und Frankreich halten Gleichberechtigung für wichtig, aber die unbezahlte "Care-Arbeit", also Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen, wird zu zwei Dritten von Frauen erledigt. 

Der französische Soziodemograf Serge Rabier ergänzt, dass sich die meisten Paare den Haushalt bis zur Geburt des ersten Kindes teilten, dann fielen sie ins klassische Muster zurück. Die Paare mögen das ganz anders sehen, aber "Gender-Pay-Gap" lässt ihnen oft keine Wahl: Weil die Väter in den meisten Fällen mehr verdienen, bleiben die Mütter daheim und kümmern sich um die Kinder. Auch deshalb wirkt es beinahe unverfroren, wenn sich Politiker öffentlich als Feministen bezeichnen, den Worten aber viel zu selten Taten folgen lassen. Politik ist ja ohnehin eine eher männliche Beschäftigung, weil viele Frauen angesichts voller Terminkalender und Sitzungen bis tief in die Nacht zu Recht davon ausgehen, dass die Familie zu kurz kommt; Männer haben damit offenbar kein Problem. 

Zwischendurch unterbricht Galling den Fluss des Films immer wieder mit einer "Kachelwand" wie aus einer Internet-Konferenz: Sieben Frauen mit unterschiedlichen Hintergründen kommentieren die allgemeine Lage. Diese Beiträge stehen jedoch in keinerlei Bezug zueinander, zu einer Diskussion kommt es nicht. Die Einwürfe sind zwar der Rede wert, zumal sie weitere Aspekte ins Spiel bringen, aber es ist schade, dass es nicht zumindest zu einem Dialog mit Wiedemann gekommen ist. Die Soziologin hätte zum Beispiel kommentieren können, wie realistisch die Forderungen der Frauen sind. Im jetzigen Tempo wird es ohnehin erst gegen Ende des Jahrhunderts zu echter Gleichberechtigung kommen.